Oft werde ich bei Führungen gefragt, wovon die Kretschmanns eigentlich lebten. Schließlich mussten sie seit 1960 nach der Rückkehr aus Müritzhof ohne festes Gehalt auskommen. Das war für DDR-Verhältnisse recht ungewöhnlich, denn Sozialhilfe wie heute gab es damals nicht.
Reich an materiellen Gütern war ihr Leben sicher nicht. Das wird den Besuchern sehr schnell bei den Führungen durch das Kretschmann Museum deutlich.
Der Garten gab den beiden Vegetariern Nahrung und war Einnahmequelle zugleich. Jährlich haben sie rund 4000 Besucher durch das Haus der Naturpflege geführt und ihnen die Liebe zur Natur nahe gebracht. Spenden für diese Führungen und der Verkauf von Pflanzen waren eine Möglichkeit für das Ehepaar, die Haushaltskasse aufzubessern. Dabei richteten sich die Preise für die Pflanzen nach dem Transportmittel, mit dem die Besucher kamen. Reisten sie im Wartburg oder noch teurerem Auto an, dann zahlten sie den höchsten Preis, beim Trabi kosteten Pflanzen schon weniger und Gäste ohne Auto bekamen die Pflanzen häufig kostenlos.
Eine weitere Einnahmequelle waren die etwa 2000 Zeitungsartikel, die sie veröffentlichten und nicht zuletzt erhielten sie von Gemeinden und Betrieben Zuwendungen für die Gestaltung von Dorfangern und Betriebsgeländen.
So haben sie von 1971 bis 1982 insgesamt folgende Leistungen erbracht:

  • 5 Dorfanger gestaltet
  • 9 Betriebsgelände bepflanzt
  • 3 Parkanlagen saniert
  • 20 Schulgelände, Kindergärten und Denkmäler gestaltet

In diesen 11 Jahren wurden ca. 40 000 Bäume und Sträucher im Kreis Bad Freienwalde gepflanzt, die ein großes Artenspektrum in unsere Region brachten. Sträucher und Bäume, die viele noch nicht kannten.
Zu den Betrieben zählten:

  • das Betonwerk Wriezen
  • ZGE Milchproduktion Steinbeck
  • ACZ Wriezen
  • Schamottewerk Bad Freienwalde

Die 5 Dorfanger waren:

  • Altmädewitz
  • Kunersdorf
  • Altwriezen, Beauregard
  • Neuküstrinchen
  • Schiffmühle/Gabow

Zwei Dorfanger möchte ich hier vorstellen und vergleichen. Das sind die Dorfanger Schiffmühle/Gabow und Neuküstrinchen.

Worin bestanden die Gemeinsamkeiten in der Entstehung dieser beiden Plätze?

  1. Vor der Entstehung lag eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Kurt hielt einen DIA- Vortrag vor den Einwohnern der Dörfer und legte seine Pläne dar. Er verdeutlichte den Besuchern die Bedeutung des Dorfangers als Visitenkarte des ganzen Ortes und die Auswirkungen auf die anliegenden Grundstücke. Die Orte haben viele Bäume durch die Zusammenlegung der kleineren Feldflächen zu großen Arealen verloren und bekamen mit der Anpflanzung von Gehölzen die Chance, dieses wieder auszugleichen. Außerdem konnte die bestehende Artenarmut durch die Anpflanzung vieler, oft unbekannter Arten, behoben und der Dorfanger so gestaltet werden, dass fast zu jeder Jahreszeit etwas blüht.

  2. Kurt dokumentierte seine Pläne in der Öffentlichkeit und bezog die Bürger in die Entscheidung mit ein. So stellte er in der Presse und in der Nähe des Dorfangers seine Pläne vor und verarbeitete Vorschläge der Bevölkerung in einem geänderten Plan.

  3. Beide Dorfanger besaßen ein Kriegerdenkmal, das Kurt, der überzeugte Pazifist, gern auf den Friedhof des Ortes verlegt hätte oder an dem wenigstens der Goethespruch

    „Manches Herrliche der Welt,
    ist in Streit und Krieg zerronnen.

    Wer schützet und erhält,
    hat das schönste Los gewonnen“

    eingraviert werden sollte.

  4. Das Wiegehäuschen auf beiden Dorfangern wurde in die Gestaltung mit einbezogen.

  5. Die Gemeinden erteilten den Auftrag und finanzierten das Vorhaben.

  6. Die Mitglieder der LPG übernahmen im zeitigen Frühjahr vor der Feldarbeit die Pflanzungen.

  7. Die weiteren Pflegemaßnahmen in den ersten Jahren wurden organisiert

Worin bestanden die Unterschiede zwischen Gabow und Neuküstrinchen?

  1. Ein großer Unterschied lag schon in der Lage und Form des Dorfangers. Während er in Gabow einen sogenannten Rundling vorfand, der etwa 6 m Höhenunterschied aufwies, war der Dorfanger in Neuküstrinchen ein ebener langer Schlauch in der Mitte eines Straßendorfes von ca. 1 km Länge und 22 m Breite.

     
    alter Dorfanger Gabow   alter Dorfanger Neuküstrinchen

    1968 wurde in Neuküstrinchen auf beiden Seiten des Angers eine Betonstraße gebaut während in Gabow drei Straßen und viele Wege zu den Grundstücken den Dorfanger zerschnitten.

  2. In Gabow waren 5 große Eschen und die sogenannte „Napoleoneiche“, angepflanzt 1810 nach der siegreichen Schlacht gegen das napoleonische Heer. In Neuküstrinchen fand man auf dieser Fläche viele Gärten mit teils sehr desolaten Zäunen. Jeder baute an, was er für richtig hielt, so dass Kartoffeln neben Gurken oder Blumen in bunter Mischung und in sehr unterschiedlichem Zustand auf dieser Fläche angebaut wurden.

  3. In Gabow gingen die Pflanzpläne bis an die privaten Grundstücke der Anwohner, während in Neuküstrinchen nur der Anger bepflanzt wurde.

  4. In Neuküstrinchen wurden Bäume und Sträucher angepflanzt sowie zwei kleine Teiche angelegt. In Gabow wurden vorrangig Sträucher, sowie eine Vielzahl von Wildrosen in der Mitte des Angers angepflanzt.

  5. Die Wiegehäuschen wurden instandgesetzt. In Gabow brachte Kurt eine Ausstellung unter, die die neu gepflanzten Arten zeigte und Auskunft über Herkunft und Besonderheiten dieser Pflanzen erteilte.

    In Neuküstrinchen wurde die alte Waage wieder aufgebaut und ist heute zu bewundern.

  6. Beide Dorfanger besitzen noch ihr Kriegerdenkmal. In Gabow finden wir jedoch den von Kretschmann vorgeschlagenen Text wieder.

  7. Große Unterschiede bestehen im heutigen Erscheinungsbild der Dorfanger.

    In Neuküstrinchen sind Kretschmanns Pläne voll aufgegangen. Es ist ein liebevoll gepflegter Park mit einem imposanten Baumbestand entstanden. Im Frühjahr blühen Forsythien und später der Flieder, mächtige Weiden und eine riesige Silberpappel können bewundert werden. Auf dem idyllischen Teich schwimmt eine Trauerente.

    In Gabow ist jedoch nicht mehr viel zu sehen von dem ursprünglichen Anblick. Reste der vielen Rosen stehen noch sehr mit Unkraut verziert im Mittelpunkt des Rundlings, die meisten Sträucher sind entfernt, nur noch Relikte der Ausstellung sind in einem recht unansehnlichem Wiegehaus.

     
    Gabow heute Foto: Knospe   Neuküstrinchen heute
         
     
    Wiegehaus in Gabow   Wiegehaus in Neuküstrinchen