Der letzte große Wunsch der Kretschmanns – Freienwalde den Titel „Stadt des Naturschutzes“ zu verleihen, ging leider nicht in Erfüllung.

Die Mehrzahl der Stadtverordneten hat sich gegen diesen Vorschlag entschieden.

Dabei ist wohl kaum eine zweite Stadt für diesen Titel so geeignet wie Bad Freienwalde, kann sie doch auf eine jahrzehntelange Tradition aufbauen:

Bereits vor dem 2. Weltkrieg gab es zahlreiche Aktivitäten z. Bsp. auf dem Gebiet des Storchenschutzes und Pflanzenschutzes in unserer Region. Besonders anerkennenswert sind die entomologischen und botanischen Untersuchungen von August Heese.

Bereits 1949 fanden sich Gleichgesinnte, die im Rahmen des Kulturbundes eine Gruppe „Natur- und Heimatfreunde“ gründeten. Dazu gehörten: Hans Ohnesorge, der Leiter des Oderlandmuseums, Dr. Konrad Gründler- Schriftsteller , Studienrat Wilhelm Loose, Siegfried Vogel- Lehrer der Kollwitz-Schule sowie Kurt und Erna Kretschmann. Als erste gründeten sie ein „Kuratorium zur Wiederherstellung des Freienwalder Schlossgartens“, dessen Kern Regierungsrat Kühle, Stadtrat Heese, Oberförster Schultz, Studienrat Loose und Kurt Kretschmann bildeten. Ihre Aufgabe war es, den Freienwalder Schlosspark für die Bevölkerung wieder zugänglich zu machen.

In einem 6 –wöchigen Einsatz wurde der ca. 12 ha schwer geschädigte Park wieder instand gesetzt. 500 Schüler waren mit ihren Lehrern im Einsatz und 12 Arbeitskräfte wurden eingestellt. Ihren Lohn haben die Kuratoriumsmitglieder durch Spenden in der Bevölkerung eingesammelt. Bereits am 1. Mai 1949 wurde er als Volkspark der Bevölkerung in einer ansprechenden Form übergeben.

Von Anfang an arbeiteten die Natur- und Heimatfreunde mit der Bezirkspresse „Neuer Tag „ zusammen. Dr. Gründler , Hans Ohnesorge und Kurt Kretschmann schrieben mehr als 100 Beiträge jährlich. Darin informierten sie die Bevölkerung über ihre Vorhaben, riefen auf, selbst tätig zu werden und die Heimat zu verschönern. Sie brachten auch am Anfang ein eigenes kleines Mitteilungsblatt heraus. Unter dem Motto“ was uns in Freienwalde nicht gefällt, was uns angenehm aufgefallen ist.“

Warum nimmt Freienwalde eine Sonderstellung im praktischen Naturschutz ein?

  1. 4 Jahre früher als im Bezirk Dresden der Wettbewerb „Das schöne Dorf „ ausgerufen wurde, lief ab April 1949 der Wettbewerb „Schöne Dörfer- schöne Städte“.
  2. Vor dem Krieg existierten 3 Naturlehrpfade, einer davon bei Berlin. Die Freienwalder Natur- und Heimatfreunde eröffneten im Juli 1953 den Fontane-Lehrpfad, der erste Lehrpfad der DDR. Dr. Grosser (Eberswalde) war für die Botanik verantwortlich, die Förster Schwiederski und Hübner gestalteten den forstlichen Teil, Hans Ohnesorge war für die geschichtliche Bearbeitung verantwortlich und Herr Rettschlag aus Bernau war der Fachmann für geologische Fragen. Der Lehrpfad existierte 15 Jahre, heute ist er als Fontane Wanderweg ausgewiesen, weil sich das Waldbild inzwischen zu sehr geändert hat. Insgesamt haben die Freienwalder 18 Lehrpfade erarbeitet, darunter unter der Leitung von Hans Ohnesorge den ersten geologischen Lehrpfad der DDR. Der letzte Lehrpfad war der Dr.-Max-Kienitz-Lehrpfad, den unter Anleitung von Kurt Kretschmann die PDS 1993 einweihte und an dessen Erarbeitung u.a. Prof. Endtmann von der Fachhochschule Eberswalde, Dr. Rudi Dwaronat und Sybille Knospe beteiligt waren.
  3. Die Freienwalder Natur- und Heimatfreunde gestalteten die erste Naturschutzausstellung der DDR im Jahr 1950. Die beiden „Kretschmänner“ zogen oft auf recht abenteuerlichen Wegen durch Brandenburg und klärten die Bevölkerung über die Möglichkeiten des Naturschutzes auf. Diese Ausstellungen waren immer auch mit Fachvorträgen verbunden. Es existierte eine sehr enge Zusammenarbeit mit der damaligen Forsthochschule Eberswalde. Solch bekannte Professoren wie Prof. Scamoni, Prof. Endtmann, Dr. Augustiny u.a. hielten Vorträge vor der Bevölkerung.
  4. Unter der Leitung von Erna Kretschmann wurden 1953 in Metzdorf in Zusammenarbeit mit Studenten der Humboldtuniversitat die ersten Windschutzstreifen zur Verhinderung der Bodenerosion angelegt, die heute noch ihren guten Dienst leisten.
  5. Große Bemühungen gingen von Freienwalde zum Seeuferschutz aus. Ohne die Befugnis dafür zu haben, stellten die Kretschmanns ihre Schilder zum Verbot der Uferwegebebauung auf. So haben wir heute in Brandenburg viele Seeufer, an denen die Bevölkerung entlang gehen kann, bzw. die Tiere am Gewässer keine künstlichen Hindernisse haben.
  6. Initiiert von den Kretschmanns entstand für den Kreis Oberbarnim eine Beispielbearbeitung, die Auskunft über das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten gibt.

Sind das nicht Argumente für die herausragende Stellung Bad Freienwaldes im Natur- und Umweltschutz? Durch das Studium der Archivmaterialien erlange ich immer mehr Einblick in die große Fleißarbeit dieses Natur- und Heimatkreises. Leider leben heute nicht mehr viele von den Pionieren der ersten Stunde. Ich freue mich deshalb, dass der ehemalige Biologielehrer Herr Vogel sich bereit erklärt hat, in einer Veranstaltung im Haus der Naturpflege von den Anfängen zu berichten. Vielleicht besuchen uns die Stadtverordneten dann, um ein objektives Bild vom Natur- und Heimatschutz zu erhalten.

Sybille Knospe